Neue Teams, etablierte Namen: Mit Professionalität auf dem Weg nach oben
- Anna Höfker
- 25. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Die erfolgreichen Teams in der 2. Liga sind aktuell der 1. FC Nürnberg, Union Berlin, Hamburger SV und VFL Bochum – alles Vereine, die vor allem auch mit ihren hochklassigen Männer-Teams assoziiert werden. Die Namen des FSV Gütersloh, der SG 99 Andernach und des SV 67 Weinberg lassen da vermutlich bei den wenigsten etwas klingeln. Hier gibt es keine professionellen männlichen Fußballer im Rücken. Dass ausgerechnet diese drei Teams am Tabellenende der 2. Liga um den Klassenerhalt kämpfen? Eher kein Zufall. Denn sie starten unter ganz anderen Ressourcen und Möglichkeiten als die Spitzenteams der Liga.
Sportliche Erfolge scheitern oft nicht am Einsatz auf dem Platz, sondern an fehlendem Geld und fehlender Infrastruktur.
Die ohnehin schon herausfordernde Lage für etablierte Frauenfußball-Hochburgen wie Gütersloh oder Andernach und auch Turbine Potsdam wird in den nächsten Jahren kaum einfacher werden. Blickt man ligatechnisch weiter nach unten, investieren da einige Clubs gerade jede Menge, um so schnell wie möglich ganz oben mitzuspielen.
Einer davon ist der VfB Stuttgart. Die Stuttgarterinnen spielen aktuell noch, wie wir, in der Regionalliga – der Regionalliga Süd. Lange gibt es die Frauen beim VfB aber noch nicht. Erst vor vier Jahren wurde zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte eine Frauenabteilung gegründet. Gestartet wurde diese aber nicht bei null, sondern mit bereits bestehenden Teams des Stadtteilclubs VfB Obertürkheim.

Durch eine Kooperation wurde das Spielrecht der weiblichen Teams übernommen.
(Credits: VfB Stuttgart)
Die Souveränität der VfB-Frauen aus den letzten zwei von drei Jahren seit Start ist auch Sascha Glass als Sportdirektor zu verdanken. Er trägt seit Sommer 2023 die strategische Verantwortung. Der 52-jährige ist bisher direkt vom Spielfeldrand durch seine Trainertätigkeiten in der Bundesliga (1. FFC Frankfurt, VFL Wolfsburg, SC Sand und 1. FC Köln) bekannt. Damit bringt er einiges an Erfahrung und vor allem auch ein großes Netzwerk im Frauenfußball mit. Das macht sich mittlerweile durch hochkarätige Transfers bemerkbar. Die 79-fache Nationalspielerin Leonie Maier stieß im letzten Sommer zum VfB, obwohl sie ihre aktive Karriere eigentlich schon kurz zuvor in Hoffenheim für beendet erklärt hatte. Auch die gestandene Bundesliga-Spielerin Maximiliane Rall hat ihren Weg nach Stuttgart gefunden. Als Deutsche Meisterin mit dem FC Bayern zog es sie 2024 in die boomende NWSL nach Amerika zu den Chicago Red Stars. Jetzt verteidigt sie laut Arbeitspapier mindestens zwei Jahre für den Brustring. Mit der amtierenden Kapitänin und Identifikationsfigur der TSG Hoffenheim – Fabienne Dongus – und Verteidigerin Janina Hechler stehen bereits die nächsten etablierten Bundesliga-Verstärkungen zur neuen Saison fest.
Rund 200 Kilometer nordwestlich, findet man beim 1. FSV Mainz 05 einen ähnlichen Ansatz. Auch hier wird seit 2022 (wieder) ein Frauenteam gestellt.

Das gab es schon einmal in den 1970er-Jahren, wurde dann aber aufgrund von scheinbar mangelndem Interesse an dessen Spielbetrieb abgemeldet.
(Credits: Mainz 05)
Nach dieser Abstinenz von 50 Jahren wurde zur Spielzeit 2022/2023 auch bei den Rheinhessinnen der Weg über eine Kooperation mit einem bestehenden Frauenfußballteam der Stadt gesucht und gefunden – und zwar mit dem TSV Schott Mainz aus der Regionalliga Südwest. Ein gemeinsam geschmiedeter Fünf-Jahres-Plan sieht vor den Mädchen- und Frauenfußball in Mainz sowohl im Breitensport als auch in der Talentförderung nachhaltig zu professionalisieren und zu fördern. Das klare Ziel dabei unter anderem, der Aufstieg in die 2. Liga. Und so dominierten auch die Mainzerinnen mit ihren neuen Ambitionen als 05erinnen die Liga in der vergangenen Saison. Am Aufstieg scheiterten sie dennoch knapp, da sie dem VFL Bochum in den beiden notwendigen Relegationspartien unterlagen. In diesem Jahr soll es aber klappen! Durch das Upgrade der 1. Liga entfallen einmalig die Qualifikationsspiele zur 2. Liga und die Mainzerinnen würden durch den Titel in der Regionalliga direkt aufsteigen – genau wie in Stuttgart und hoffentlich bei uns in Berlin auch. Mit 17 Siegen aus 18 Spielen einem Torverhältnis von 94:4 und sechs Punkte Vorsprung sieht es für den 1. FSV Mainz 05 nach Titelverteidigung aus.
Auf nationaler Bühne angekommen, soll die Entwicklung dann Schritt für Schritt weitergehen. Mit einem Selbstverständnis als erfolgreicher Ausbildungsverein will man mittelfristig auch mit den besten Teams Deutschlands mithalten können, so die Sportliche Leiterin Nadine Kreß. Ein deutlicher Hint also, dass es ambitioniert weitergeht. Auf dem Platz besteht auch in Mainz der Plan, Spielerinnen mit Erfahrungen und Einsätzen aus höheren Ligen zu verpflichten. Gleichzeitig wird rundherum an der kontinuierlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen geschraubt. Synergien mit der männlichen Lizenzspielerabteilung sowie dem Nachwuchsleistungszentrum sollen mehr und besser genutzt sowie ausgebaut werden.
Ähnliches gilt auch im Westen. Dort klettert ein weiterer großer Name seit der Saison 2021/2022 konsequent Liga für Liga nach oben – Borussia Dortmund. Beim BVB wurde sich bei der Gründung eines Frauen-Teams bewusst gegen einen Deal mit einem bestehenden Verein aus der Umgebung entschieden. Stattdessen wurde auf einen kontinuierlichen Weg von ganz unten, in der Kreisliga startend, gesetzt. “Wir nehmen uns die Zeit ganz natürlich und organisch zu wachsen”, sagt Svenja Schlenker, die Abteilungsleiterin für Frauen- und Mädchenfußball. Viel Geld wird trotzdem in die Hand genommen. Laut den Ruhr Nachrichten soll in den nächsten drei bis fünf Jahren im Stadtteil Brakel ein neues Trainingszentrum mit siebenstelligem Investment allein für die weiblichen Fußballerinnen gebaut werden. Auch auf dem Transfermarkt wurde bereits mit einem Paukenschlag zugegriffen. Das Amt des Cheftrainers übernimmt zur neuen Saison Markus Högner. Der Markus Högner, der die Bundesligistinnen der SGS Essen bis jetzt insgesamt 12 Jahre lang als Rekordtrainer erfolgreich betreute. Er wechselt also bewusst von einem der letzten reinen Frauenfußball-Clubs der 1. Liga einige Etagen nach unten.
Denn nach drei aufeinanderfolgenden Aufstiegen spielt der BVB aktuell in der viertklassigen Westfalenliga. Die Zeichen stehen aber auch in diesem Jahr gut, wenn auch knapp, dass das Team dort nur zur Durchreise ist. Die Dortmunderinnen führen die Tabelle mit 61 Punkten an. Direkt im Nacken sitzt der FC Schalke 04 mit 60 Punkten.

Die beiden Ruhrpott-Rivalinnen werden den Meistertitel mit dem direkten Aufstieg zur Regionalliga, weit vor allen anderen Amateurvereinen, definitiv unter sich ausmachen.
(Credits: Borussia Dortmund)
Die Vorentscheidung im Titelrennen fällt womöglich jetzt am Sonntag beim großen Revierderby – vor einer Kulisse von 10.000 Menschen im Stadion Rote Erde. Von dieser Strahlkraft können viele Teams selbst auf nationaler Ebene nur träumen. Auf Instagram folgen den BVB-Frauen 107.000 Menschen. Der Sender Sky zeigt mit “Herstory” den Dortmunder Weg nach oben. Dort ganz oben in der 1. Bundesliga kommen sie frühestens im aktuellen Aufstiegs-Rhythmus zur Saison 2027/2028 an. So leicht ist es natürlich nicht, aber definitiv muss mit Borussia Dortmund in den nächsten Jahren an der nationalen Fußballspitze der Frauen gerechnet werden.
So ich habe das Gefühl, dass wir mitten in einem Umbruch stecken. Während etablierte Vereine – vor allem in der 2. Liga – mit knappen Budgets und infrastrukturellen Hürden kämpfen, drängen von unten ambitionierte Clubs mit viel Dominanz und Professionalität nach oben. Union Berlin, der VfB Stuttgart oder Borussia Dortmund setzen schon jetzt auf klare, professionelle Strukturen. Sie schaffen für Spielerinnen und auch Trainer*innen attraktive Bedingungen – aber eben gestützt und flankiert von den Ressourcen ihrer erfolgreichen Männer-Abteilungen. Aber da gibt es ja auch noch uns ;) Wir wollen es anders machen. Auch wir haben den Anspruch, professionell nach oben zu gehen aber unabhängig und eigenständig, nicht als B-Team. Stay tuned!
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